Karlheinz Schmid |
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Qualität ist keine Frage der Einschaltquote Ein Gespräch mit Dieter Asmus |
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Ende 1964, also vor einem
Vierteljahrhundert, wurde in Hamburg die Gruppe "Zebra" gegründet.
Der Maler Dieter Asmus vertritt nach wie vor das Manifest dieser
Realisten. Weder Kunstmarkt noch Zeitgeist können ihn irritieren: Ein Künstler
mit Haltung, fernab der bewährten Halterungen des Kunstbetriebs.
Daß
deine Malerei fernab naturalistischer Wirklichkeit angesiedelt ist,
dokumentieren die Bilder. Die zeigen freilich auch, daß du mit dem
Neuen Realismus amerikanischer Kollegen nichts zu tun hast. Die
porentiefe Malerei eines Chuck Close, so scheint es, interessiert dich
nicht, wenngleich Oberfläche auch in deinem Atelier eine zentrale
Bedeutung hat. Wie distanzierst du dich von Hyperrealisten? Wie von
Kritischen Realisten
Vor
einem Vierteljahrhundert hast du, gemeinsam mit Peter Nagel, Nikolaus Störtenbecker
und Dietmar Ullrich, die Gruppe "Zebra" gegründet. Ein
Zwitter, kombiniert dank "Zero" und "Cobra"? Diese
konträren Bewegungen haben sich in den "Zebra"-Bildern
allerdings nicht durchsetzen können. Was also will uns das
"Zebra" mitteilen?
Das
"Zebra" widerlegt die Behauptung: "Kunst und Natur geben
einen schlechten Reim." Das "Zebra"" ist ein
Lebewesen, ein Tier, ein Stück Natur - insofern programmatisch.
Allerdings mit künstlicher "Bemalung", insofern ist es
gleichzeitig ein Kunstprodukt. Die Natur ist - das weiß jeder, der eine
Katze oder einen Hund hat - nicht "natürlich", sondern
rituell. Das "Zebra" signalisiert nach einem Jahrhundert der
Abstraktion die radikale Hinwendung zu den Dingen.
Im
ersten "Zebra"-Manifest, 1964 entstanden, gibt es einen
Hinweis auf die gesellschaftliche Stellung der Kunst. Wird dieses Bewußtsein
nicht durch die Tatsache getrübt, daß mit einer derart minimalen
Produktion, wie sie für Realisten deiner Art typisch ist, gar kein
Einfluß möglich ist? Vier Jahre lang hast du beispielsweise den
"Froschtest" gemalt, Pausen inklusive. Und soeben ist dein
sechs Quadratmeter großes Gemälde "Baby-Tauchen" fertig -
Immerhin nach zehnjähriger Arbeit. Was Wunder, dass Asmus-Bilder selten
auftauchen, im Kunsthandel kaum eine Rolle spielen? Wer langsam malt,
hat also das Nachsehen, oder? De facto ja, im Prinzip nein. Auf Dauer ist Wirkung beziehungsweise
Qualität ja nicht eine Frage der Einschaltquote. Von Leonardo
existieren zehn Bilder, von mir immerhin rund 60! Wenn viele
Aussteller und Medien nicht fast ausschließlich zeigen würden, was
ihnen der Handel vorkaut, wären meine Bilder auch öfter zu sehen. Ich
könnte dir aus dem Stand
zum Beispiel eine Ausstellung "Realisten nach 45" auf die
Beine stellen, daß du vom Stuhl fällst. Also los?! Wird nicht gemacht. Das hängt sicherlich auch mit der Entscheidung
der Nationalsozialisten zusammen, die gegenständliche Malerei auf ihren
Schild zu heben: eine verhängnisvolle Wahl, die den Realismus bis heute
pauschal diffamiert. Bis 1935 war übrigens interessanterweise nicht
raus, ob nicht der Expressionismus offizielle Staatskunst werden sollte,
das nur nebenbei. Außerdem scheint sich heute niemand zuzutrauen - weil
im gegenständlichen Sehen völlig ungeübt -, eine solche
Realisten-Ausstellung unter qualitativen Kriterien - und nicht phänomenologischen
- zusammenzustellen. Das wäre doch mal eine Aufgabe, Herr Joachimides? Zurück ins Atelier! Du bist ein Meister der Akribie. Ich werde
niemals vergessen, daß du vor etlichen Jahren, als sich das passende
Vorbild nicht finden lassen wollte, in mühevoller Arbeit das Rad eines
kleinen Flugzeugs modelliert hast, um es dann zu malen. Macht solche
Detail-Liebe einen Sinn? Handelt es sich dabei nicht auch um
"hochgezüchteten Individualismus",
wie er einst im "Zebra"-Manifest“ angeprangert wurde? Dieses Beispiel zeigt eigentlich sehr gut, worum es geht:
"Passend" mußte das Rad sein. Es hätte ja auch der
allgemeine Vorstellungsbegriff "Rad" sein können, aber
nein: Wenn man einen bestimmten Ausdruck haben will, darf es nicht
irgendein, sondern muß es unbedingt ein bestimmtes Rad sein. Welche Erkenntnis steckt dahinter? Um welchen Ausdruck geht es?
Ich
will ja erreichen, daß sich die Gegenstände wieder ins Bewußtsein
setzen. Ich muß ihnen also einerseits ihre Faszination erhalten - das
versuche ich, indem ich sie in ihrem „absoluten Moment“ zeige. Ich
muß aber zugleich dieses Suggestion in Form, in ausdrucksintensive
Bildsprache umsetzen - das kann heute nur über eine genau dosierte
Akribie funktionieren. Ich erinnere an Picasso: "Man muß immer die
kühle Stelle auf dem Kopfkissen suchen." Wenn ein realistisches
Bild gelingt, dann befindet sich der Gegenstand in perfekter Spannung
zwischen Form und Inhalt, beides bleibt sichtbar, obwohl es kongruent
ist. Es entsteht nicht L'art pour l’art, sondern L'art pour
l’homme. Eine wichtige Funktion spielt für den Maler Dieter Asmus die
Fotografie, teils eigene Aufnahmen, teils Material aus Zeitschriften und
anderen Publikationen. Die Bewußtmachung der Fotografie, so dein frühes
Statement, sei überfällig; man habe die veränderten Sehgewohnheiten
zu berücksichtigen. Läßt sich denn dieser Anspruch realisieren, wenn
schließlich nicht mehr erkennbar ist, ob sich die Malerei auf eine
konkrete fotografische Aufnahme bezieht? Haben jüngere Kollegen, die
nun mit der Fotografie arbeiten und das auch per Ergebnis zeigen, nicht
bessere Chancen? Schwitters hat mal das vorschnelle Diktum aus der Hüfte
geschossen, was man fotografieren könnte, braucht man nicht zu malen.
Konsequenz: abstrakte Kunst! Na schön, Dieter. Das leistet das Foto. Aber warum, um Gottes
willen, malst du es zu allem Überfluß dann noch?
Weil
uns das Foto in einer Zeitung oder im Fernsehen als Bild nicht bewußt
wird. Wir nehmen das Foto als Dokument - das ist wohl auch seine größte
Stärke -, als Seit wenigen Jahren besinnen sich immer mehr Künstler auf ihr
Urheberrecht. Wie regelst du das mit den Fotografen deiner Vorlagen? Mußt
du ständig mit neuen Ansprüchen der Urheber rechnen? Ich "male" das Foto ja nicht "ab"! Ich übersetze
es, wie du weißt. Die meisten Fotografen freuen sich, wenn ihr Foto
verwandelt als Bild bei mir auftaucht. Bislang hat noch kein Fotograf
Honoraransprüche angemeldet. Ich könnte natürlich alle Fotos selbst
machen. Immerhin fotografiere ich, solange ich denken kann. Aber
bestimmte aktuelle Fotos, etwa die Ermordung Kennedys, entziehen sich
einfach meinen Möglichkeiten. Mein Umgang mit der Fotografie hat sich
nicht verändert. Mir fällt jedoch auf, daß sich die Qualität der
Fotos, technisch und künstlerisch, in den letzten Jahren enorm
gesteigert hat. Unser gemeinsamer Freund Armin Schreiber hat vor einigen Jahren
eine tiefschürfende Analyse deiner Malerei geliefert und dabei
festgestellt, daß durch kühne Perspektive, rasante Bewegung der Figur
und durch eine überraschende Geste "die Ebene der Sensation"
erreicht wird, wo Wirkung und Wirklichkeit eng zusammenrücken. Bedeutet
das eine Abkehr von Metaphern und vergleichbaren Übersetzungen,
zugunsten der Dinge selbst? Wenn ja, lohnt der hohe Aufwand, der
jahrelange Einsatz? Alles für die Präsenz des Gegenstands? Neuer
Realismus oder neues Pathos? Wenn ich leichter erreichen könnte, was ich meine, würde ich das
tun. Ich bin nicht bescheuert und gehe ohne triftigen Grund freiwillig
auf die Galeere. Wie steht's mit den Metaphern? Ja, doch: Metaphern sehe ich im Grunde als unkünstlerische
begriffliche Ersatzkonstrukte für Leute, die nur denken können,
visuell aber Analphabeten sind. Welche Philosophie steckt denn dahinter? Seit dem Impressionismus, also seit 1872, hat die Kunst sich immer
weiter von der Welt entfernt, zugunsten einer - damals hochwertigen - Rückbesinnung
auf die Mittel. Gleichzeitig hat sich die real vorhandene Welt durch
Wissenschaft und Technisierung weit radikaler verändert als in der
gesamten Menschheitsgeschichte davor! Im Verein mit einer Philosophie,
der ein „Gedankending" allemal wichtiger als die vorhandene,
„unreine" Welt war, und einer Amtskirche, deren Paradies „nicht
von dieser Welt" war, ist es offenbar soweit gekommen, daß wir
nicht wissen, ob der Planet, auf dem wir stehen, das nächste
Jahrhundert überhaupt noch erreicht. Ein weitreichender Blick! Siehst du dabei eine Aufgabe für die
Kunst? Sollten wir nicht besser ins Greenpeace-Lager wechseln? Es paßt ins Konzept, daß die Kunst seit über 100 Jahren nichts
Besseres zu tun hat, als sich selbst zu thematisieren, „die Welt in
Farbe zu verwandeln“ und was dergleichen Sandkastenspiele mehr sind.
So ungeheuer wichtig die Moderne für die Befreiung der künstlerischen
Mittel aus dem Akademismus des 19. Jahrhunderts war, so sehr - machen
wir uns da doch nichts vor - hat sie sich in ihrer Orthodoxie
mittlerweile verbraucht und ist selbst zum Akademismus, zur
Fin-de-siecle-Kunst des 20. Jahrhunderts geworden. Unsere Probleme sind
doch ganz andere als vor 100 Jahren! Und da soll nun dein Neuer Realismus helfen? Kunst kann das, wenn sie wirklich zeitgenössisch ist. Sie kann,
wenn sie nicht im gutgemeinten Appell oder im Formalismus stecken
bleibt, sondern im ursprünglichen Sinne radikal ist, Mentalitäten,
Vorlieben, Moden, gesellschaftliche Schwerpunkte ändern, wenn sie ihre
genuine Kraft zur Utopie, zur Schaffung neuer Leitbilder einsetzt. Was heißt das heute? Das bedeutet für unsere Zeit: Wenn die Kunst die atemberaubende
Einmaligkeit, die enorme Differenziertheit, das jede Phantasie übersteigende
Formenpotential der uns umgebenden Welt als Wert spürbar, fühlbar,
erlebbar macht. Und das leistet heute offenbar nur der Neue Realismus. Große Worte, mein Lieber. Da mußt du genauer werden! Der Neue Realismus bringt die nötige
Sturheit, Konzentration, ja, sagen wir es ruhig: die Liebe auf, die nötig
ist, um Menschen, Tiere, Dinge, Landschaften so darzustellen, daß ihr
Verlust wirklich an die Eingeweide geht. Wenn das Pathos ist, lieber
Carlo: Bitte sehr! |
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